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Heilige Gertrud von Nivelles

Äbtissin von Nivelles, legendäre Gründerin des Marienklosters in Karlburg

* 626
† 17. März 659 in Nivelles (Belgien)

Gedenktag: 17. März

Macht man sich auf Spurensuche nach der heiligen Gertrud trifft man auf unterschiedliche Überlieferungsstränge. Deren Grundlage bildet die hl. Gertrud von Nivelles (Belgien), deren Leben und Wirken als historisch gesichert gelten darf – für eine Heilige der Merowingerzeit eine wirkliche Besonderheit. Um diesen historischen Kern der Gertrud von Nivelles haben sich im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche Legenden und Zudichtungen entwickelt, die zeitweise sogar scheinbar eigenständige Gestalten einer Gertrud von Karlburg und einer Gertrud von Neustadt entstehen ließen.

I. Das Leben der hl. Gertrud

Gertrudis tripartita

Im Falle der hl. Gertrud wird immer wieder von der „Gertrudis tripartita" (dreigeteilte Gertrud) gesprochen; dieser Begriff spielt auf die drei Traditionsstränge in der Überlieferung an – die der Gertrud von Nivelles, der Gertrud von Karlburg und der Gertrud von Neustadt. Grundlage bildet die historische Gertrud von Nivelles, deren Leben historisch belegbar ist; wichtigstes Dokument ist die „Vita sanctae Geretrudis", die bereits um 670, also wenige Jahre nach Gertruds Tod, geschrieben wurde. Mit dem Aufleben der Gertrudverehrung in Franken entwickelte sich rund um Karlburg und Neustadt am Main ein ganz eigener Kranz von Geschichten und Legenden. So erzählt die „Passio sancti Kiliani maior" (um 850) die Geschichte von der Flucht Gertruds vor einem ungeliebten Freier nach Karlburg, wo sie ein Kloster gründete. In der „Vita Burkardi" des Ekkehard von Aura aus dem 12. Jahrhundert wird Gertrud im Zusammenhang mit dem Imminatausch erwähnt. In Neustadt am Main montierte man Gertrud sogar ganz bewusst in die Ortsgeschichte ein, um sich der Machtansprüche seitens des Bischofs von Würzburg zu erwehren. Bis zu welchem Grad diese Legenden der historischen Wahrheit entsprechen, ist heute nicht mehr nachvollziehbar, ein Fünkchen Wahrheit steckt nach Ansicht des Gertrudenkenners Jürgen Emmert jedoch in jedem Fall darin.

Die historische Gertrud von Nivelles

Die heilige Gertrud von Nivelles (auch Gertrudis, Gertraud, Gerda) wurde 626 in Landen (südöstlich von Brüssel / Belgien) geboren. Sie war die Tochter des austrischen Hausmeiers Pippin I. (von Landen) dem Älteren und seiner Frau Itta (Iduberga) von Nivelles; Gertruds Schwester Begga heiratete später den Herzog von Ansegisel, aus dessen Geschlecht 100 Jahre später Kaiser Karl der Große hervorging.

Ihre Kindheit verbrachte Gertrud auf der Königspfalz der Merowinger. Schon als junges Mädchen sollte sie eine standesgemäße Hochzeit mit dem fränkischen Herzog Rigulf eingehen, was sie jedoch vehement ablehnte. So soll sie stolz verkündet haben: „Nicht diesen, nicht einen anderen. Ich schwöre, dass ich keinen zum Gemahl haben werde als allein Christus, den Herrn."

Nach dem Tod ihres Vaters Pippin im Jahr 640 bat Bischof Amandus von Utrecht Gertruds Mutter Itta, ein Kloster zu errichten. Itta kam diesem Rat nach und gründete das Kloster Nivelles in Südbrabant (25 km südlich von Brüssel); gemeinsam mit ihrer 14-jährigen Tochter trat Itta als erste in ihre Klostergründung ein. Gertrud indes musste sich auch weiter heiratswilliger Freier erwehren. So heißt es, dass ihre Mutter Itta ihr die Haare „wie eine Krone" abschnitt und sie im Kloster versteckte.

Legendäre Gründerin des Klosters Karlburg

Der Legende nach floh Gertrud deshalb nach Franken und gründete in Karlburg am Main, das seinerzeit übrigens ein bedeutender Zentralort war, eine Benediktinerinnenabtei, die der Muttergottes Maria geweiht war. Stimmt dies, dann wäre das Marienkloster in Karlburg eines der ersten Klöster im mainfränkischen Raum, das noch vor der Missionierung durch die drei Frankenapostel entstanden ist. In Karlburg gab es der Überlieferung nach die erste Schule Frankens, in der Jungen und Mädchen von einem Geistlichen namens Atalong unterrichtet wurde. 100 Jahre nach der legendären Gründung trat das Karlburger Marienkloster übrigens im Zusammenhang mit der Bistumsgründung und dem Imminatausch nochmals ins Licht der Geschichte.

Von Karlburg aus soll Gertrud beinahe täglich auf dem Gertraudenpfad nach Rorinlacha (dem heutigen Neustadt am Main) gelaufen sein, um eine weitere Klostergründung vorzubereiten. Eines Tages soll sie auf ihrem Weg unweit des heutigen Ortes Waldzell von großem Durst geplagt worden sein und bohrte ihren Stab in die Erde; sogleich entsprang an dieser Stelle eine Quelle.

In Neustadt, wo die heilige Gertrud ebenfalls verehrt wird, hat es allerdings um die Mitte des 7. Jahrhunderts noch gar kein Kloster gegeben. Auf dem Michaelsberg befand sich lediglich ein burgähnlich befestigtes Jagdschloss der karolingischen Hausmeier, das wohl auch eine kleine Kapelle besaß. Das Benediktinerkloster Neustadt am Main wurde erst später, nämlich um das Jahr 770, vom zweiten Würzburger Bischof Megingoz gegründet. Der Gertrud-Kult wurde höchstwahrscheinlich ab dem 12. Jahrhundert ganz bewusst zur Sicherung von politischen Ansprüchen des Klosters Neustadt aufgebaut: So machte man Gertrud anhand einer gefälschten Urkunde zur Schwester Karls des Großen; als weitere „Beweise" führte man angebliche Abdrücke von Ellbogen, Knie und Füßen der heiligen Gertrud bei der Kapelle auf dem Michaelsberg und den legendären Gertraudenmantel an, der bis heute in der Sakristei der Neustädter Abteikirche aufbewahrt wird.

Äbtissin und Wohltäterin von Nivelles

Nach diesem Intermezzo in Franken kehrte Gertrud in ihre Heimat zurück. Nach dem Tod ihrer Mutter Itta im Jahr 652 wurde sie – hier bewegen wir uns wieder auf historisch gesichertem Gebiet – Äbtissin des Klosters Nivelles. Sie soll eine hoch gebildete Frau und hervorragende Kennerin der Bibel gewesen sein; immer wieder – so heißt es – ließ sie sich geistliche Literatur aus Rom kommen. Gertrud wollte auch Mädchen die Heilige Schrift zugänglich machen und berief sogar irische Mönche (!) nach Nivelles, die ihren Mitschwestern die Heilige Schrift auslegen sollten. Daneben lagen Gertrud auch die Kranken und Sterbenden am Herzen; außerdem kümmerte sie sich ganz im Zeichen der christlichen Nächstenliebe um Witwen, Pilger und Gefangene und gründete eines der ersten Pilgerhospize.

Helferin gegen Mäuse und Seeungeheuer

Eine Episode in der Vita der hl. Gertrud berichtet von Schiffsreisenden, die im Auftrag Gertruds unterwegs waren: Als diese auf der Fahrt von einem Meeresungeheuer bedroht wurden, flehten sie Gertrud um Hilfe an und sofort verschwand das Ungeheuer. Eine (vermutlich später entstandene Legende) erzählt überdies, dass Gertrud das Land einmal allein durch ihr Gebet von einer Mäuse- und Rattenplage befreit und so den Ernteertrag gerettet haben soll; auch Mäuse, die sie beim andächtigen Spinnen störten, vertrieb sie.

Gertrud starb am 17. März 659 im Alter von 33 Jahren in Nivelles; ihr Todestag, den ihr ein irischer Mönch exakt prophezeit hatte, ist der Tag des irischen Nationalheiligen St. Patrick. Gertrud wurde im Kloster Nivelles bestattet und bereits kurz nach ihrem Tod wie eine Heilige verehrt; zahlreiche Kirchen wurden ihrem Patronat unterstellt, immer wieder wurden der Vita Mirakel und Wunderberichte beigefügt.

II. Verehrung

1298 wurden die Gebeine der hl. Gertrud in einen gotischen Reliquienschrein umgebettet, der jedoch am 14. Mai 1940 bei der deutschen Bombardierung der Stadt Nivelles zerstört wurde. Unter Verwendung einiger mittelalterlicher Fragmente schuf Félix Roulin 1982 einen neuen Reliquienschrein aus Edelstahl, Silber und Bronze.

Gedenktag am 17. März

Der Gedenktag der hl. Gertrud ist der 17. März. Da dieser Tag in vorchristlicher Zeit der der germanischen Fruchtbarkeitsgöttin Freya (altrömisch Libera) gewidmet war, übertrug man deren Aufgaben mit der Zeit teilweise auf Gertrud. Aus diesem Grund gilt die heilige Gertrud bis heute als Frühlingsbotin oder Sommerbraut.

Dargestellt wird die Patronin der Krankenhäuser, Armen, Witwen, Pilger und Gefangenen, der Reisenden, der Gärtner, Feld- und Gartenfrüchte meist im Äbtissinnengewand mit Krummstab oder Kreuz; weitere beliebte Attribute der Heiligen, die auch gegen Ratten- und Mäuseplagen sowie gegen Fieber angerufen wird, sind Mäuse, Spinnrad oder Segelschiff.

Auch in Franken wurde Gertrud von Nivelles als Heilige verehrt. Im Bistum Würzburg stehen einige Kirchen und Pfarreien unter dem Patronat der hl. Gertrud, so in Schweinheim (Aschaffenburg), Karsbach (bei Gössenheim), Elsenfeld sowie in Neustadt am Main. Bei Gerolzhofen gibt es außerdem eine Getraudenkapelle. In vielen Gemeinden wird bis heute alljährlich am 17. März der Gertraud-Tag gefeiert. In der Bischofsstadt Würzburg trägt eine der ältesten Kirchen der Stadt den Namen der hl. Gertrud; die ältesten Mauern der Kirche St. Gertraud im Würzburger Stadtteil Pleich stammen aus dem Jahre 1133 und wurden von Enzlin, dem Baumeister der „Alten Mainbrücke" errichtet. Bis 1749 zog alljährlich die Pleicher Schiffswallfahrt von Würzburg St. Gertraud über Karlburg nach Neustadt.

Gertraudenpfad und Getraudenkapelle

„Ganz nah dran" an den mainfränkischen Wirkungsorten der heiligen Gertrud ist man zwischen Karlburg und Neustadt am Main. Der so genannte Gertraudenpfad verbindet das ehemalige Kloster Karlburg mit dem Michaelsberg bei Neustadt am Main. In Waldzell (westlich von Steinfeld) befinden sich eine Gertraudenkapelle und ein Gertraudbrunnen. Zunächst stand an der Stelle, wo Gertrud der Legende nach dem Verdursten nahe war, nur ein Bildstock; dieser wurde 1615 durch den heute bestehenden ersetzt. 1741 erbaute man dann die Gertraudenkapelle, 1849/1850 kam ein hölzerner Vorbau dazu. Seit dieser Zeit ziehen die Waldzeller am Pfingstmontag in einer Prozession zur Kapelle, um dort einen Gottesdienst zu halten. Seit 1984 findet danach auch das Pfarrfest an der Getraudenkapelle statt, zu dem mittlerweile alljährlich über 1000 Besucher kommen. Anlässlich des 25.Gertraudenfestes im Jahr 2008 setzte Weihbischof Helmut Bauer eine Reliquie der Hl. Gertrud von Nivelles im Altar der Kapelle bei.
Seit 2003 nehmen die Waldzeller außerdem mit Miniaturkapelle und historischer Fußgruppe an der Wallfahrt und am festlichen Umzug „Tour St. Gertrude in Nivelles" teil.

III. Brauchtum

Die Legenden um das Leben der hl. Gertrud ließen zahlreiche volkstümliche Bräuche aufkommen: „Gertrudenminne" tranken Menschen, die voneinander Abschied nahmen oder sich nach einem Streit wieder versöhnten. „Gertrudenwasser" sollte gegen Mäuse und andere Schädlinge helfen; außerdem steckte man auch „Gertrudenzettel" in die Mäuselöcher.

Vermutlich durch die Verquickung mit der germanischen Fruchtbarkeitsgöttin Freya wird zudem am Gertraudentag traditionell die Saison für die Garten- und Feldarbeit eröffnet. Gemäß der Bauernweisheit „Gertrud mit der Maus / treibt die Spinnerinnen raus" beginnt ab dem 17. März wieder die Feldarbeit und die Winterarbeit im Haus hat ein Ende. Zahlreiche Bauernregeln wie „Wer an Gertraud nicht in den Garten geht / im Sommer vor leeren Beeten steht" oder „Sonniger Gertudentag / Freud dem Bauern bringen mag." illustrieren diese Sichtweise.

Anja Legge